Der Mai startete gleich mal sommerlich, während die Verlage den Herbst mit Leseexemplaren einläuten. Was sonst noch so los war, lest ihr hier.
Gelesen
JULIANE: Man merkt, dass wir aus dem Urlaub zurückgekehrt sind, mein sizilianischer Leseflow ist direkt wieder eingeschlafen. Zwei schmale Bände habe ich dennoch geschafft: Heaven von Mieko Kawakami und Gebranntes Kind sucht das Feuer von Cordelia Edvardson. Bei Kawakami geht es um Mobbing an einer Schule, bei Edvardson um ihre Erfahrungen mit dem Holocaust – zwei sehr bedrückende und zugleich sehr gute Titel.
STEFAN: Bei mir war der Mai wieder ein guter Lesemonat. Ich habe Die Häutungen von Lucía Lijtmaer gelesen, ein wirklich toller Roman, der sich viel traut. Die Geschichten zweier Frauen über 400 Jahre hinweg werden miteinander verwoben und zeichnen die Geschichte der Emanzipation gegen das Patriarchat auf, ohne dabei in übermäßig viel Optimismus zu verfallen.
Dann habe ich Morgen, morgen und wieder morgen von Gabrielle Zevin gelesen, ein typisch amerikanischer Pageturner über Freundschaft, Liebe und die Computerspiele der 1990er – ein Retro-Feuerwerk für mich, der damals wirklich alles gezockt hat, was mir in die Finger gefallen ist. Und auch ein guter Roman, auch wenn mir das sehr diverse Setting zu anachronistisch und dadurch ein bisschen zu gewollt vorkam.
Auf Ich stelle mich schlafend von Deniz Ohde hatte ich mich sehr gefreut, da ich den Vorgänger Streulicht geliebt habe. Leider kommt der Roman da bei weitem nicht ran, auch wenn er für mich nicht so katastrophal ist, wie manche Besprechungen es vermuten lassen könnten. Mehr dazu dann in der Rezension.
Gerade lese ich Die Frau mit den vier Armen von Jakob Nolte, das wieder deutlicher an seine Anfänge mit ALFF und Schreckliche Gewalten anknüpft als der letzte Roman Kurzes Buch über Tobias und mich damit gleich reingezogen hat.
Bei den Sachbüchern habe ich mal wieder einen Titel der Digitalen Bildkulturen bei Wagenbach gelesen, und zwar Krypto-Kunst von Kolja Reichelt. Der Band lässt kein gutes Haar an Kunst-NFTs, erklärt aber sehr gut, was diese genau sind und wieso ihr Nutzen überaus beschränkt ist.
Gefühle in Zeiten des Kapitalismus von Eva Illouz folgte dann, ja schon ein kleiner moderner Klassiker in der Soziologie. Die überaus streitbaren Adorno-Vorlesungen waren dann aber doch ein dickerer Brocken als der schmale Band der stw-Jubiläumsausgabe versprach. Trotzdem sind ihre Ausführungen aus dem Jahr 2006 immer noch aktuell.
Jetzt lese ich Was Populisten wollen von Marcel Lewandowsky, das sehr gut geschrieben ist und damit sein latent ekliges Thema sehr süffig und mit genau der richtigen, winzig kleinen Prise Humor rüberbringt.
Gesehen
JULIANE: Vom Mai ist mir ein Kinoerlebnis ganz besonders in Erinnerung geblieben. Zusammen mit einem Freund habe ich Sterben geschaut, weil wir beide große Lilith Stangenberg-Fans sind. Als ich gesehen habe, dass der Film knappe drei Stunden geht, war ich skeptisch – zu lange Filme ertrage ich oft nicht. Aber was da auf der Leinwand passierte, war so kurzweilig und vielschichtig, dass ich keine Minute bereue. Sterben spielt auf mehreren Ebenen die Themen Tod und Abschied durch und das mit wahnsinnig guter Schauspielleistung, dass ich mich noch lange danach mit besagtem Freund über den Film austauschen wollte.
STEFAN: Im Mai habe ich mir die dritte Staffel von Der Pass angeschaut. Die Staffel ist noch dunkler als die beiden davor, kein Wunder, geht es doch auf der einen Seite um Satanisten, auf der anderen um Winters innere Dämonen. Kommt zwar nicht an die großartige erste Staffel True Detective ran, die ohne Zweifel wieder Pate stand, aber ist durchaus empfehlenswert.
Außerdem habe ich mir We Own This City angeschaut, eine ältere HBO-Serie, die wie The Wire die Polizei in Baltimore in den Blick nimmt. Hier geht es dabei ganz explizit um dreckige Polizisten, die ihre Macht missbrauchen. War gut, aber es fällt mir doch immer schwerer, Serien aus den 2000ern zu schauen. Wie langsam ist das alles!? Wie krass hat meine Konzentrationsfähigkeit abgebaut?!
Gehört
JULIANE: Der Podcast-Hype scheint ja schon fast wieder vorbei zu sein, nur die Buchbranche hängt mal wieder etwas hinterher. Hier sprießen gerade jetzt immer mehr neue Literaturpodcasts aus den Tonstudios. Eine gute Übersicht gibt es seit Kurzem auf literaturpodcasts.de.
Meine Freundin Annabelle hat kürzlich zusammen mit ihrer Freundin Franzi einen weiteren gelauncht: In Brotlose Künste sprechen die beiden über Lieblingsbücher und lesen gemeinsam Titel aus der Rory-Gilmore-Challenge. Wer noch auf der Such nach einem gleichermaßen unterhaltsamen wie informativen Bücherpodcast ist, wird hier glücklich.
STEFAN: Ich habe mir den Podcast Rammstein – Row Zero von NDR und Süddeutscher Zeitung angehört. Er schildert den krassen Missbrauch von jungen Frauen im Umfeld von Rammstein-Konzerten vielschichtig und detailliert und braucht wirklich alle Triggerwarnungen zu sexualisierter Gewalt. Gut gemacht und überaus frustrierend.
Gemacht
JULIANE: Übers lange Pfingstwochenende waren wir zusammen mit Freunden auf Rømø in Dänemark, was einfach nur schön war. Ein Häuschen im Wald mit gemütlicher Terrasse (inkl. Mückenschwärme), viel Sonnenschein und Nachmittagen am Strand. So kann man sich’s gut gehen lassen, und das Baby war auch ganz verzückt.
STEFAN: Seit der Umstellung auf feste Nahrung beim Baby mache ich vor allem eins: Brei kochen und Gemüse dünsten. Natürlich alles kein Akt, gerade in der Elternzeit ist man ja auch genau dafür da. Aber wie viele Mahlzeiten so ein Knirps in sich reinschaufelt, war mir vorher wirklich nicht klar.