Marcel Lewandowsky: Was Populisten wollen

Von Volk und Wille: Marcel Lewandowsky legt in Was Populisten wollen die Strategien und Ziele populistischer Parteien höchst eingängig dar und bietet damit eine Pflichtlektüre für die kommenden Jahre.

Lewandowsky, Was Populisten wollen, Cover

Frankreich ist gerade an dem ganz großen Rechtsruck vorbeigeschrammt. Nochmal durchatmen, heißt es da, aber die nächsten Wahlen stehen schon bald bevor. Gerade die Landtagswahlen in einigen ostdeutschen Bundesländern zeichnen sich schon am Horizont ab. Wie also umgehen mit der dort in Umfragen klar führenden AfD? Ihre Positionen kapern, wie es die CDU meist versucht? Oder doch eher klar widersprechen und bei den Wähler*innen mit guter Politik punkten? Wobei Letzteres leider oft schon an der Definition guter Politik scheitert.

In Was Populisten wollen. Wie sie die Gesellschaft herausfordern – und wie man ihnen begegnen sollte nimmt sich Marcel Lewandowsky genau dieser Fragen an. Er stellt dabei eine Analyse populistischer Kommunikation an den Anfang, um dann die Strategien von regierenden populistischen Parteien zu betrachten und abschließend Gegenmaßnahmen zu entwerfen. Er untermauert seine Untersuchung mit zahlreichen Studien und Statistiken sowie vielen anschaulichen Beispielen aus den letzten Jahren bis knapp vor die Veröffentlichung des Buchs – es ist also sehr gut belegt und brandaktuell.

Die Ergebnisse seiner Analysen überraschen nicht, wenn man sich schon ein wenig mit dem Thema beschäftigt hat. Durch die vielen aktuellen Beispiele und Lewandowskys flotten, aber niemals unsachlichen Stil bietet der Titel aber vielleicht die eingängigste Form der Populismusuntersuchung.

Ganz kurz zusammengefasst sehen sich populistische Parteien als einzig legitime Vertreter eines Volkswillens, wodurch sie bemächtigt seien, auch gegen gesetzliche Beschränkungen durchzuregieren. Diese werden dann, kommen Populisten an die Macht, auch gleich so umgebaut, dass sie abgeschafft oder auf Parteilinie gebracht und damit politisiert werden. Gleiches gilt für die Medien, und durch Änderungen des Wahlrechts wird die Macht endgültig zementiert. Ungarn und Polen lassen grüßen, die »illiberale Demokratie« Orbáns gilt hier als aktueller Goldstandard.

Dass dieser Volkswille dabei komplett willkürlich ist und schon an der Definition dessen, was denn dieses »Volk« nun sein soll, meist scheitert oder in ethno-nationalistische Fantasien abdriftet, ist dabei egal. Denn es geht ja nicht um Argumentation, nicht um Überzeugung oder Logik, sondern einzig um eine Emotionalisierung des Diskurses, die das allgemeine Debattenklima nach rechts verschiebt und die extremen Positionen der Parteien damit von den von ihnen so betitelten »Altparteien« legitimiert werden. Dass diese sich viel zu schnell von populistischen Parteien treiben lassen, ist dabei ein Teil des großen Problems, wie nun mit den Populist*innen umzugehen sei.

An diesem Punkt steht eine klare, aber leider auch schwierige Empfehlung: Populist*innen ist mit einer Übernahme ihrer Positionen, etwa einem harten Kurs gegen Migration, nicht beizukommen. Im Gegenteil, der Diskurs wird dadurch nur weiter nach rechts verschoben und spielt damit den Populist*innen in die Karten. Ganz im Gegenteil muss ein Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und liberaler Demokratie zusammengehen mit einer klaren Kommunikation und – am allerwichtigsten und allerschwersten – »guter Arbeit« vom Bund bis in die Kommunen. Denn nur wenn Menschen merken, dass demokratische Politik unmittelbare Effekte auf ihr Leben hat und es zum Besseren wenden kann, werden Vertrauen in Demokratie aufgebaut und Ängste, die Populist*innen in die Hand spielen, abgebaut.

Schauen wir von dieser Analyse auf die Situation in Deutschland, wird klar, dass der Populismus uns noch lange begleiten wird. Zu heftig wurde das Land in den vergangenen Jahrzehnten heruntergewirtschaftet und Investitionen auf Sparflamme gefahren, als dass irgendeine Regierung dies heute schnell ändern könnte. Was Populisten wollen von Marcel Lewandowsky zeigt, was nötig ist – und wie viel Arbeit noch vor uns allen liegt –, um in einer freiheitlichen Demokratie leben zu können.

Marcel Lewandowsky: Was Populisten wollen. Wie sie die Gesellschaft herausfordern – und wie man ihnen begegnen sollte | KiWi | 336 Seiten | 20 Euro | Erschienen im Mai 2024

Kategorie Blog, Rezensionen, Sachbuch

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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