Kryptohabituell: Juan S. Guse erkundet in Tausendmal so viel Geld wie jetzt das Verhalten von vier Kryptomillionären, um dabei letztlich doch auch immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen zu werden.

Was macht Geld eigentlich mit einem? Ein plötzlicher Geldsegen, das sagt man ja so einfach. Kann das auch ein Fluch sein? Für viele Menschen, die im Lotto Millionen gewinnen und plötzlich reich sind, war das bisher der Fall. Denn Geld strahlt zum einen auf das Umfeld aus, gerade auf die, die es einem vielleicht nicht so sehr gönnen oder sich zu kurz gekommen fühlen. Und es fordert gute Entscheidungen, um nicht zum Fenster rauszufliegen und das alte Leben gleich mitzunehmen.
Bei Kryptomillionären ist es ja oft gar nicht so viel anders als im Lotto, denn auch wenn manche anderes behaupten werden: Mit Kryptowährungen, Tokens und anderen Produkten zu handeln, ist immer eine höchst riskante Wette, bei der nur ganz wenige gewinnen, ganz viele aber verlieren – denn über das investierte Geld hinaus gibt es eben praktisch keine realen Werte, die man erwerben würde.
Tausendmal so viel Geld wie jetzt ist eine Erkundung solcher plötzlicher Kryptomillionäre. Das Buch hat keine Gattungsbezeichnung, und das ist auch gut so, denn es spottet jeder Einordnung. Vielmehr bewegt es sich wild wuchernd zwischen den Polen der Literatur, der Reportage, der soziologischen Studie und vielleicht noch des Essay – mit dem wir wieder in der Literatur sind.
In vier Kapiteln lässt Guse seinen gleichnamigen Erzähler von den Begegnungen mit vier solcher Kryptomillionäre erzählen. Sie alle haben gemein, dass sie sich ihren Reichtum nicht ansehen lassen wollen, auch wenn sie durchaus mal mehr, mal weniger viel Geld für ihr tägliches Leben ausgeben. Sie wohnen noch in kleinen Wohnungen, manchmal sogar im Keller eines Freundes, während unglaubliche Summen im Wallet schlummern. Sie alle setzen sich ab von Neureichen, von Menschen, die ihr Geld gut sichtbar in der Öffentlichkeit präsentieren – aber auch von anderen Kryptomillionären, mit denen sie nun wirklich nichts zu tun haben.
So ist das Buch eine schöne Erkundung einer ominösen wie auch dubiosen Szene. Doch unter dieser oberen Schicht gibt es noch die viel schönere Auseinandersetzung des Erzählers mit sich selbst. Denn der Reichtum, dem er immer wieder gegenübersteht, provoziert natürlich Fragen an ihn selbst. Da sind zum Beispiel die gut 2.000 Euro, die er selbst beim Trading verloren hat, und der ständige Vergleich mit einer Split-Klimaanlage plus Einbau. Denn diese wäre ein realer Gegenwert zum verlorenen Geld, das nun bei irgendeinem Glücklicheren auf dem Konto liegt.
Immer wieder franst die Reportage aus, begibt sich auf Seitenwege, die auflockern und sehr gut unterhalten. Ganz nebenbei legt sie kleine Fährten in die Romanwelt Guses, was erst Recht Lust auf mehr macht. Tausendmal so viel Geld wie jetzt ist kein Lückenfüller, und doch lässt es sich nicht von der Hand weisen, dass ich und viele andere schon sehnlichst auf den nächsten Roman nach Miami Punk warten. Das Buch ist ein wunderbarer Teaser, der aber auch für sich stehen kann.
Juan S. Guse: Tausendmal so viel Geld wie jetzt | S. Fischer | 192 Seiten | 23 Euro | Erschienen im Mai 2025