Jasmin Schreiber: Marianengraben

Ein toter Bruder, eine eigenartige Begegnung auf dem Friedhof und ein höchst unwahrscheinlicher Roadtrip: Jasmin Schreiber liefert mit Ihrem Debütroman Marianengraben (Eichborn) gut gemachte Unterhaltung mit tragikomischem Einschlag.

Marianengraben

Wer hat Ziemlich beste Freunde gesehen? Oder vielmehr, wer nicht? Und wer hat Tschick von Wolfgang Herrnsdorf gelesen, oder Töchter von Lucy Fricke, vielleicht auch Hier ist es schön von Angelika Scheffel oder On the Road / Unterwegs von Jack Kerouac? All diese Bücher eint eine unwahrscheinliche Freundschaft, die durch einen Roadtrip gefestigt wird. Bei Ziemlich beste Freunde ist es die aufgezwungene Arbeitssituation, die den Roadtrip größtenteils ersetzt.

Die Blaupause ist perfekt für Tragikomik, da sich so Topoi der Weite, der Sehnsucht und des Fernwehs mit denen der Erinnerung und der Identitätssuche mit Cultureclash- und Slapstick-Komik mischen lassen. Je besser das umgesetzt und je besser natürlich auch der Stoff ist, desto mehr geht das Rezept auf und desto weniger drängt es sich den geneigten Leser*innen dabei auf. Nicht selten wird es zum Hit, wie etwa Ziemlich beste Freunde, oder zum Kult, wie On the Road, oder gleich beidem, wie bei Tschick.

Dazu wird es wohl bei Jasmin Schreibers Debütroman Marianengraben nicht reichen, aber das muss es ja auch nicht gleich. Sie schickt die von Depressionen zerfressene Paula mit dem Rentner Helmut auf die Reise, mit einem Wohnmobil aus der Nähe von Frankfurt bis in die Alpen. Die beiden könnten auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein: Die junge Frau in der Blüte ihres Lebens, er alt und gebrechlich, mundfaul und verschroben. Doch beide eint der Verlust einer geliebten Person. Paula hat ihren Bruder Tim verloren, Helmut seine große Liebe.

Marianengraben wird von Paula aus der Ich-Perspektive erzählt. Der Roman bleibt sprachlich genau wie beim Plot: ohne große Überraschungen, aber auch ohne zu langweilen oder gar zu enttäuschen. Jasmin Schreiber schafft es, das Thema Tod, das beide Protagonist*innen eint, mit großer Leichtigkeit zu erzählen.

Die Erwartung war auf jeden Fall, irgendwas zu fühlen, irgendetwas zu spüren, das eine Veränderung herbeiführt. Damit das Leben vielleicht irgendwie weitergehen konnte und ich nicht weiter wie ein Stückchen Plankton durch die große schwarze Tiefsee trieb – darauf wartend, von einem großen Fisch verspeist zu werden, damit das Elend endlich ein Ende hatte. […]
»Sie sind schon ein bisschen so ein hoffnungsloser Fall, oder?«, fragte er [Helmut] mich und hatte dann wieder einen seiner Hustenanfälle.

Zum Teil wurden mir einige Passagen etwas zu pathetisch oder rührselig, wenn etwa Paula mit ihrem toten Bruder spricht oder ihn in der Erinnerung idealisiert. Dies bleibt aber im Gesamtbild eher im Hintergrund. Auch ist der Humor bzw. die Komik nicht immer gerade neu, aber auch das ist kein großer Kritikpunkt, da die liebevoll gezeichneten Figuren dies mit Leichtigkeit überstrahlen.

So schafft es Jasmin Schreiber in Marianengraben, mit schweren Themen zu unterhalten. Den Roman zeichnet eine Leichtigkeit aus, die das bewährte Erfolgsrezept des Roadtrips ungleicher Protagonist*innen gut für sich nutzt. Es gibt dabei keine Überraschungen oder große Erkenntnisse, aber im besten Sinne routinierte Unterhaltung mit guter Balance zwischen Tragik und Komik.

Jasmin Schreiber

Marianengraben

Eichborn

254 Seiten | 20 Euro

Erschienen am 28.2.2020

Kategorie Blog, Rezensionen

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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