Komplett wild zusammengewürfelt ist sie diesmal, unsere kleine Kurzrezensionsecke, mit Sieben Versuche zu lieben von Maxim Biller, Volksaufstand & Katzenkammer von Kolja Möller und Immortal – Dead Soon III, Maniac 1.000.000 Eigenfikkung von Kevin Kemter.
Maxim Biller: Sieben Versuche zu lieben
Angefixt vom grandiosen Sechs Koffer habe ich bei Maxim Billers neuem Buch natürlich gleich blind zugegriffen, ich wollte mehr von diesem wahnsinnigen Erzähler und seinem ewigen Familienkosmos lesen. Genau das habe ich dann auch bekommen, allerdings anders als erwartet. Denn Sieben Versuche zu lieben versammelt Familienepisoden über die Liebe aus seinen bisher veröffentlichten Romanen und Geschichten. Selbst Schuld, wer die Ankündigung nicht richtig liest!
Auch wenn ich dann zeitweise ein bisschen beleidigt ob der Konservenware war, hat mir das Buch aber doch wieder sehr gut gefallen. Maxim Biller ist einfach ein Ausnahmeerzähler, dessen schlichter und doch so effektiver Stil mich jedes Mal wieder gefangen nimmt. Und außerdem veranschaulicht die Sammlung seinen Kosmos mit Nachdruck. Die Geschichten spielen in immer leicht veränderten Konstellationen zwischen Prag, Hamburg, München und Berlin und tragen eine irgendwie dunkle russische Vergangenheit mit sich. Es sind die Familiengeheimnisse, die die Erzähler immer wieder antreiben, zu bohren, Verwandte und Eltern auszufragen und auf ihren Spuren zu wandeln. Ich weiß nicht, wer sonst mit so kleinen Variationen so fesselnd erzählen kann. [s]
Maxim Biller: Sieben Versuche zu lieben | KiWi | 368 Seiten | 22 Euro
Kolja Möller: Volksaufstand & Katzenjammer
Das Volk ist ja momentan in aller Munde und wird gern von den ewig Falschen als ihr alleiniges Kulturgut, deren letzte Wächter sie seien, beschrien. Kolja Möller stellt sich in seinem Essay Volksaufstand & Katzenjammer die berechtigte Frage, wie ein solcher Volksaufstand mit dem politischen Populismus zusammenhängt, der in Deutschland spätestens seit dem Erfolg der AfD zum meist unreflektierten Kampfbegriff wurde.
Denn Populismus ist ja keine Erfindung der Rechten, sondern existiert in verschiedensten Spielarten. Immer soll »das Volk« mobilisiert werden, immer sind die Mittel einfach strukturiert. So klassifiziert Möller die Spielarten des Populismus nach ihrer Stoßrichtung und im Anschluss auch die Arten von Volksaufständen, und zwar nach ihren Fehlern, die dann zum Katzenjammer a.k.a. der Konterrevolution führen. Und das ist hier auch das wirklich Interessante: Woran scheitern die meisten Aufstände? Und dann: Wie könnte ein nachhaltiger Aufstand aussehen, der die bekannten Fehler vermeidet? Seine Ausarbeitung ist gut und hoffnungsvoll, am Ende kamen mir aber doch Zweifel, ob ein so reflektierter und basisdemokratischer Aufstand wie hier beschrieben wirklich vorstellbar ist. Schade eigentlich. [s]
Kolja Möller: Volksaufstand & Katzenjammer. Zur Geschichte des Populismus | Wagenbach | 160 Seiten | 18 Euro
Kevin Kemter: Immortal – Dead Soon III, Manic 1.000.000 Eigenfikkung
Wow. Der Titel sagt ja schon alles, oder? Oder nicht? Genau so geht es auch los in Kevin Kemters Immortal – Dead Soon III, Maniac 1.000.000 Eigenfikkung. Die höchst eigene Diktion des Erzählers gibt Rätsel auf, das Gesagte ist auch hinter den Buchstaben nicht zuzuordnen. Wovon erzählt der Typ da? Und meint der das ernst? So viel sei gesagt: Aufgelöst wird hier nichts. Auch wenn sich der Text mit der Zeit weiter aufblättert und auch die vielen begleitenden Krickelzeichnungen zur Stimmung beitragen, bleibt vieles im Dunkeln. Denn der Text will Rätsel sein und Rätsel aufgeben, und das macht er gut.
Das ist natürlich keine leichte Sommerlektüre und auch kein Feel-Good-Roman, klar. Der Text ist ein kleiner erratischer Brocken, der ganz tief in unserem Jetzt verwurzelt ist und an die sozialen Ränder geht, ohne jemals wirklich genau zu werden. Und doch vermittelt er ein Gefühl vom Zusammenspiel von existenzieller Dunkelheit und gleichzeitig auch irgendwie militanter Hoffnung, dass es eine Freude ist. Ein kleines Gesamtkunstwerk. [s]
Kevin Kemter: Immortal – Dead Soon III, Manic 1.000.000 Eigenfikkung | Korbinian Verlag | 129 Seiten | 15 Euro