Richard Fariña: Been Down So Long It Looks Like Up to Me

Neuer Stoff aus der Beat-Literatur? Nicht ganz, aber mit Been Down So Long It Looks Like Up to Me ist bei Steidl ein Kultroman von 1966 erstmals in deutscher Übersetzung von Dirk van Gunsteren erschienen. Die große Frage ist: Lohnt es sich, den Roman heute noch zu lesen?

Richard Fariña: Been Down So Long It Looks Like Up to Me

Gnossos Pappadopoulis ist zurück. Zurück auf dem Campus der Athené University in Los Angeles. Er war für Jahre verschwunden, was er in dieser Zeit getrieben hat, ist ungewiss. Und auch egal, denn schnell trifft er seine alten Weggefährten wieder. Alles beginnt von vorn. Die Diskussionen, die im weitesten Sinne politischen Aktionen, die Partys und Besäufnisse, Drogen und Sex. Denn er hat flüssiges Opium mitgebracht, welches er sich bei Gelegenheit über seine Zigaretten träufelt und abtaucht.

Schnell wird er in einen Strudel des Universitätsleben gezogen, lernt auch neue Protagonist*innen auf dem Campus kennen und findet sich plötzlich in der Lage wieder, Vorsprecher einer Kampagne gegen die rigiden Geschlechtertrennungsregeln der neuen Dekanin zu sein. Öffentlichkeit in diesem Ausmaß wollte er eigentlich meiden, andererseits reizt ihn die Aufmerksamkeit auch. Eigentlich hatte er vor, tatsächlich sein Studium wieder aufzunehmen und maximal mit ein paar Bekanntschaften und Partys aufzulockern. Der Plan wird nicht aufgehen.

So könnte man den Plot von Richard Fariñas 1966 erschienenem Roman Been Down So Long It Looks Like Up to Me zusammenfassen, der in den USA seit den 1960ern Kultstatus genießt. Der Autor war mit Thomas Pynchon gut bekannt, der auch das Vorwort schrieb und ein wenig in die Geschichte des jung verstorbenen Fariñas einführt sowie die Hintergründe des Romans anreißt. Eine Bereicherung, denn die 1960er erscheinen heute unfassbar weit weg, aber es finden sich dann doch einige Anknüpfungspunkte an die Gegenwart.

Nach Athené also.
Der junge Gnossos Pappadopoulis, pelziger Pu-Bär und Hüter der Flamme, war zurück von den Asphaltmeeren des großen wütenden Landes: O ihr Highways, o Route 30 und unerbittliche Route 66, ich bin heimgekehrt zu den großen Gletschern gekerbter Schluchten, zu den fingerförmigen Buchten von Seen, zu den Goldmädchen von Westchester und Shaker Heights. Seht mich an mit meinen großen, stampfenden Stiefeln, meinen Mund voll Lügen, meinen Kopf voll Pläne.

Der Anfang des Romans lässt keinen Zweifel daran, dass wir es mit einem Beat-Roman zu tun haben. Am Jazz geschulter Rhythmus, unverstellter Sound und größenwahnsinnige Bilder sprechen für sich, der Einstieg erinnert ein wenig an Allen Ginsberg. Immer wieder wechselt der Erzähler von der dritten Person in die erste, sodass Gnossos Pappadopoulis uneingeschränkt das pulsierende Zentrum ist und bleibt. Distanz zu dieser Person kennt der Roman keine, ist geprägt von Lücken, Rissen und Sprüngen, die Gnossos‘ Charakter, aber auch seinem regen Drogenkonsum geschuldet sind.

Dabei enden die Gemeinsamkeiten aber auch. Been Down So Long verbleibt im Uni-Kosmos, geht nicht so sehr über diesen hinaus, thematisiert kaum größere Themen wie etwa On the Road von Jack Kerouac und versucht sich auch nicht wirklich an formalen Experimenten wie etwa William Burroughs in Naked Lunch. Auch kann der Roman die Sprachgewalt des Einstiegs nicht halten, rutscht schnell ab in ein konventionelleres Erzählen, das den etwas dünnen Plot bald nicht mehr verbergen kann.

Aber gerade das ist ja oft ein Merkmal von Kultbüchern – sie sind nicht eigentlich große Literatur, sprechen mit ihrer Sprache oder mit ihren Charakteren aber einer Generation aus der Seele, die es zum Kult ernennen. Das ist heute, mit einem Abstand von guten fünfzig Jahren, zumindest für mich als deutlich später Geborenem nicht mehr so leicht nachzuvollziehen. Ohne Zweifel zeichnet Been Down So Long aber gerade im ersten Drittel ein überaus ausdrucksstarkes Bild einer nicht weniger bewegten Zeit.

Der zeitliche Abstand wird auch bei Gnossos selbst sehr deutlich. Wir haben es bei ihm mit einem Macho, einem Chauvi erster Güte zu tun. Auch wenn er nicht ohne Prinzipien ist und durchaus sympathische Züge hat, ist er ein Musterbeispiel des Pick-Up-Artist der Beat Generation. Einen »Macho in der Subkultur« hat Robert Stadlober ihn bei einer seiner überaus empfehlenswerten Lesungen aus dem Roman genannt. Kann man nur unterschreiben. Alles politische Engagement, das er eher widerwillig annimmt, bricht sich an seinem Fokus auf die Röcke der Studentinnen. Und dass gerade das Verbot, dass sich ein Student und eine Studentin alleine auf einem Zimmer treffen dürfen, sein Engagement in Gang setzt, spricht wohl Bände.

Been Down So Long füllt eine Lücke in der ins Deutsche übersetzen Beat-Literatur. Der Roman füllt sie mit einem fulminanten Knall, der auf die Länge aber leider zu schnell verhallt. Nichtsdestotrotz ist der Roman ein überaus interessantes Dokument der Subkultur der 1960er in den USA, der eine hierzulande bisher eher unbekannte Facette der Beat-Literatur beleuchtet. Für mich persönlich eine Reprise meiner großen Beat-Phase mit Anfang 20. Lang ist es her.

Richard Fariña

Been Down So Long It Looks Like Up to Me

Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren
Mit einem Vorwort von Thomas Pynchon und einem Nachwort von Moritz Scheper

Steidl Verlag

392 Seiten | 28 Euro

Erschienen im Mai 2018

Kategorie Blog, Indiebooks, Rezensionen
Autor

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

3 Kommentare

Kommentar verfassen