Es wird wieder kurz angerissen: Diesmal mit Lisa Krusche in DAS GRAMM #2, einer neuen Erzählung von Clemens Meyer und einem Buch über Coming-outs queerer Persönlichkeiten.
Lisa Krusche: Grüne Orangen (DAS GRAMM #2)
Die zweite Ausgabe von DAS GRAMM ist da und wieder hochkarätig besetzt. Diesmal mit der open-mike-Finalistin Lisa Krusche, deren Debütroman bald bei S. Fischer erscheint. In Grüne Orangen wendet sie den Blick auf Maja, eine Tänzerin, die aufgrund einer Verletzung ihren Beruf bis auf Weiteres nicht mehr ausüben kann. In einem leicht apokalyptisch angehauchten Berlin steht sie nun vor den Trümmern ihres noch jungen Lebens, die sie bis dahin durch Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit gut verdecken konnte.
Grüne Orangen ist leicht geschrieben und doch dicht gewebt. Stimmungsvoll führt der Text durch den Anfang dieser schweren Zeit für Maja. Er handelt von Einsamkeit, fehlender Selbstfürsorge und überhaupt einem verloren gegangenen Sinn für sich selbst. Die Figur Majas transzendiert hier spielerisch sich selbst und weist hinaus in die Welt, in der Arbeit und Verpflichtungen nach wie vor unser Leben strukturieren und in vielen Fällen zu einer Bürde machen. Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels, das für Maja in einer neuen, unverhofften Freundschaft liegt. Eine schöne kleine Lektüre, die Lust auf den Roman macht. [s]
Lisa Krusche: Grüne Orangen | DAS GRAMM #2 | 20 Seiten | 24 Euro für ein Abo
Clemens Meyer: Nacht im Bioskop
Eine Frage steht für mich ganz am Anfang der Lektüre der neuen Erzählung von Clemens Meyer: Was zum Teufel ist ein Bioskop? Die Antwort findet sich etwa nach der Hälfte des Textes: ein Kino! Also eigentlich ist es der Projektor, der Begriff steht aber dann pars pro toto auch für das Kino selbst. Zumindest wohl in Novi Sad im heutigen Serbien, wo die Erzählung spielt. Allerdings im Jahre 1942, als Ländergrenzen verschwimmen und Nazis in der Stadt ihr Unwesen treiben.
Nacht im Bioskop führt die Leser*innen ins zugefrorene Novi Sad. Es ist Nacht, es ist Krieg. Das Eis des zugefrorenen Flusses knackt leise vor sich hin. Schnee türmt sich neben den Straßen, es ist kälter als -20°C. Die Bedrohung durch die Nazis ist greifbar, liegt bei jedem gesprochenen Satz in der Luft. Dunkelheit, Bedrohung und Kälte verbinden sich zu einer Atmosphäre, die die Erzählung von Clemens Meyer auszeichnet. Sie verdichtet sich immer mehr, ohne sich dabei auf genauere Aussagen herunterbrechen zu lassen. Ein Kleinod, das an die osteuropäische Peripherie des Zweiten Weltkriegs führt und erzählerisch mal wieder Clemens Meyers großes Gespür für feine Stimmungen und Atmosphäre beweist. [s]
Clemens Meyer: Nacht im Bioskop | Faber & Faber | 96 Seiten | 18 Euro
Sebastian Goddemeier (Hg.): Coming-out
Der Berliner Journalist Sebastian Goddemeier traf sich mit 18 queeren Persönlichkeiten, um mit ihnen über einen der wichtigsten Momente in ihrem Leben zu sprechen: das Coming-out. Diese Interviews hat Goddemeier für sein gleichnamiges Buch in längere Porträts verpackt. Die Bandbreite der Gesprächspartner*innen reicht von SPD-Politiker Kevin Kühnert über »Prince Charming« Nicolas Puschmann bis hin zu Designer Michael Michalsky. Dazwischen viele YouTuber*innen, die ich nicht kannte. Die Auswahl der Dialogpartner*innen ist divers, es kommen trans Personen, lesbische, schwule als auch bisexuelle Personen jeden Alters und Wirkraums zu Wort. Den Begriff »Stars« im Untertitel finde ich etwas übertrieben, aber es war wohl die knackigste Formulierung – also geschenkt. Die Porträts an sich sind in meinen Augen leider nur zum Teil geglückt. Es gibt einige wenige, die stilistisch herausstechen, wie das über Ralf König. Mir war der sprachliche Stil bei den meisten anderen aber etwas zu simpel. Zu viele lapidare Verbindungssätze, die nur das schon Gesagte noch einmal wiederholen – da wären mir reine Interviews irgendwie lieber gewesen. Auch fehlten mir bei allen Porträts ein paar Hintergrundinfos, Viten hätten da beispielsweise geholfen.
Alles in allem finde ich die Grundidee von Coming-out unterstützenswert und ich hoffe, dass das Buch vielen, vor allem jungen Menschen eine Hilfe beim eigenen Coming-out sein kann. Von der Umsetzung der Buchidee bin ich allerdings nicht wirklich überzeugt. [j]
Sebastian Goddemeier (Hg.): Coming Out | riva | 224 Seiten | 16,99 Euro