Kurz angerissen, diesmal mit Factfulness von Hans Rosling, Gun Love von Jennifer Clement und Unsere Welt neu denken von Maja Göpel.
Hans Rosling: Factfulness. Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist
»Alles wird immer schlimmer!« »Die Welt geht unter!« »Nichts wird mehr so sein wie jemals zuvor!« Aussprüche wie diese illustrieren ziemlich platt gesagt das Weltbild, das ich und mit mir ein großer Teil der Menschheit vertreten. Aber so fatalistische oder auch apokalyptische Weltbilder sind extrem gefährlich. Ein Blick in die rechte Schmuddelecke zeigt, dass die Hetzer*innen hinter vielen der aktuellen Verschwörungsnarrative genau solche Bilder bedienen und aus diesen eine Dringlichkeit für ihr Anliegen erwächst, die ansonsten nicht so leicht zu erreichen wäre. Denn überzeugend sind ihre Argumente eben nur, wenn sie mit der Angst spielen, rational geht da eher nichts.
In Factfulness schreibt Hans Rosling mit bewundernswertem Optimismus gegen negative Weltbilder an. Wichtig ist ihm dabei, dass es nicht um Optimismus als Selbstzweck geht, sondern möglichst objektive Fakten über unsere Realität diesen Optimismus erzeugen. In seinem Buch präsentiert er diese Fakten und versucht zu erklären, wo unser viel zu negatives Bild der Welt herkommt und wie wir tagtäglich dagegen ankämpfen können, der Negativität immer wieder zum Opfer zu fallen. Ein Buch, das einfach Spaß macht und mit klarem Auftrag daherkommt. Gute Sache!
Disclaimer: Ich arbeite bei Ullstein. Die Rezension spiegelt nur meine eigene Meinung wieder und wurde weder beauftragt noch bezahlt. [s]
Hans Rosling: Factfulness. Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist | Ullstein | 400 Seiten | 16,99 Euro | erschienen im August 2019
Jennifer Clement: Gun Love
Manchmal werden bereits erschienene Bücher schlagartig wieder aktuell. Gun Love von Jennifer Clement ist so ein Fall – und auch wieder nicht. Denn die Geschichte um ein Mädchen im ländlichen Florida war bei Erscheinen brandaktuell und ist es jetzt wieder. Auch wenn dies derzeit vielleicht nur an der medialen Aufmerksamkeit für jede Schießerei in den USA liegt, denn leider gehören sie ja schon seit langer Zeit zur gesellschaftlichen Normalität in einem der reichsten Länder der Welt.
Aber fangen wir von vorn an: Gun Love erzählt die Geschichte von Pearl, die mit ihrer Mutter im Auto lebt. Diese ist kurz vor Pearls Geburt noch minderjährig von zu Hause abgehauen. Seitdem versucht sie, Fuß zu fassen, doch ist kaum dazu in der Lage. So leben die beiden in einem kaputten Ford Mercury auf dem Parkplatz eines Trailerparks am Highway, irgendwo in Florida. Bis zum Zeitpunkt der Handlung, Pearl ist ca. 12, hat das Mädchen komplett ohne festes Dach über dem Kopf gelebt. Dann setzt der Roman ein, und das Leben von Pearl wird komplett durcheinandergewirbelt.
Waffen spielen dabei eine zentrale Rolle – wie der Titel Gun Love schon vermuten lässt. Der Roman ist ein perfekter Kommentar dazu, wie die allgegenwärtigen Waffen das Leben gerade der armen Menschen in den USA bestimmen, reihenweise Familien auseinanderreißen und Kinder zu Waisen machen. Ein Statement gegen Gewalt und den US-amerikanischen Konservatismus, der buchstäblich über Leichen geht, um seine Lobbypolitik fortzusetzen. [s]
Jennifer Clement: Gun Love | Suhrkamp | 251 Seiten | 11 Euro | erschienen im September 2018
Maja Göpel: Unsere Welt neu denken
Was passiert, wenn ein Produkt – sagen wir Glühbirnen – plötzlich deutlich effizienter wird, man also die gleiche Menge Licht mit deutlich weniger Energie erzeugen kann? Wir sparen Strom! Schön wäre es. Im Normalfall spart zwar jede einzelne Glühbirne Strom, es werden aber mindestens im gleichen Maße, wie Strom gespart wird, mehr Glühbirnen eingesetzt. Denn wir können es uns nun leisten, mehr Licht zu machen. Auch an Stellen, an denen wir es vorher nicht für nötig hielten.
Dies ist ein Beispiel aus Maja Göpels Buch Unsere Welt neu denken. Eine Einladung, das sehr gut illustriert, wie ernst gemeint der Untertitel ist. Göpel versucht so niedrigschwellig wie möglich darzulegen, vor welch riesigen Herausforderungen die Menschheit im Angesicht des menschengemachten Klimawandels steht. Die Glühbirne zeigt dabei, dass es nur in geringem Maße technische Weiterentwicklungen sein können, die uns retten. Es ist vielmehr das System oder die Ideologie des permanenten Wirtschaftswachstums, des Mehr und Mehr, das sich ändern muss.
Göpel argumentiert langsam aber stetig auf ihr Ziel zu, zieht verschiedene Wissenschaften heran, und bleibt durchgängig transparent und optimistisch. Es fehlt dabei nicht an Klarheit über die Dringlichkeit der Lage, sie wird aber auch nicht apokalyptisch überhöht. Denn genau dies schreckt die meisten Menschen ab, überhaupt an Wandel glauben zu können. Ein Buch, das motiviert, besser zu werden. Selbst, aber vor allem auch in der Sicht auf die politische Ökonomie und die Entwicklungen, die schon heute – zugegebenermaßen sehr zögerlich – wahrnehmbar sind.
Disclaimer: Ich arbeite bei Ullstein. Die Rezension spiegelt nur meine eigene Meinung wieder und wurde weder beauftragt noch bezahlt. [s]
Maja Göpel: Unsere Welt neu denken | Ullstein | 208 Seiten | 11,99 Euro | Zuerst erschienen im Februar 2020