Lauren Oyler: Fake Accounts

Eine eigenartige Beziehung, eine Entdeckung, ein Tod: In Fake Accounts von Lauren Oyler wird die Protagonistin durch eine Reihe von Ereignissen aus ihrem Leben gerissen, um sich daraufhin neu zu finden – oder es zumindest zu versuchen.

Lauren Oyler: Fake Accounts

Berlin, vielleicht Ende der 2010er: Eine Frau macht Urlaub in der Hauptstadt und nimmt ironisch an einem Pub Crawl teil. Irgendwie findet sie den Guide aber ganz unironisch gut, sie verbringen die Nacht miteinander, werden ein Paar. Anderthalb Jahre später, in New York, wo sie eigentlich wohnt und er ihr schließlich hin folgt, entdeckt sie, dass er ein geheimes Instagram-Profil hat, auf dem er ausschließlich Verschwörungserzählungen postet.

Schluss machen wollte sie irgendwie eh, also jetzt erst recht. Doch so richtig durchringen kann sie sich nicht. Da bekommt sie die Nachricht von seinem Tod. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit wirft sie dies aus der Bahn, sie kündigt ihren Job und zieht nach Berlin, ohne wirklich zu wissen, warum.

So in etwa kann man den Großteil der Handlung von Fake Accounts zusammenfassen, zumindest was alles auf den ersten knapp 80 Seiten passiert. Es kommen aber – in der amerikanischen Ausgabe – noch circa 200 weitere. Die Verschwörungsgläubigkeit von Felix, so heißt er, spielt darin praktisch keine Rolle mehr, allerdings geht es ganz viel um die namenlose Protagonistin und ihre Suche nach Sinn in ihrem Leben, der ihr durch den Schock abhandengekommen ist.

In larmoyantem Ton erzählt sie von ihren Tagen in einer Neuköllner WG, die gefüllt sind von Twitter und Instagram, von fast professionellem Prokrastinieren und Lamentieren über sich, die Welt im Allgemeinen und Berlin bzw. deren Bewohner*innen im Besonderen. Das lange Kapitel heißt treffend »Middle (Nothing Happens)«. Sie vertreibt sich die Zeit mit Dating-Apps, erfindet für jeden Mann, den sie trifft, eine neue Person, die sie darstellt. Ordnet ihr Sternzeichen zu, verwirft sie wieder. Ordnet das eigene Schreiben einem angeblichen Trend feministischer Texte unter und reiht kleine, schnipselartige Kapitel wie zusammenhanglos aneinander (was sie aber nicht durchhält).

Fuck! I messed up the structure. That one was too long.

Zu lang ist für mich hier leider einiges. Zwar ist alles irgendwie meta, schwimmt der Text auf seiner Selbstreflexivität und der eigenen Überzeugung, vollkommen langweilig zu sein, und spielt damit. Das hat durchaus seine Momente. Für mich war gerade die Schilderung Berlins und besonders Neuköllns aus den Augen eines Expats interessant, oft konnte ich ihre Schritte 1:1 nachvollziehen, kannte Bars, Restaurants, Plätze. Das war wie ein geheimer Spaß.

Insgesamt überwiegt für mich aber dann doch die schiere Langeweile des ununterbrochenen Schwadronierens. Auch die eitle Überheblichkeit und unverständliche finanzielle Sorglosigkeit der Protagonistin konnten mich nicht überzeugen. Ihre ironischen Schilderungen sind zwar immer mal wieder witzig, aber konnten mich nur schwer motivieren, die knapp 300 Seiten durchzulesen.

Fake Accounts von Lauren Oyler lebt von der larmoyanten Ironie der Erzählerin, die ständig auch ihr eigenes Schreiben mit einbezieht. Das hat durchaus seine Momente, gerade in Hinblick auf die Sicht eines Expats auf Neukölln. Insgesamt ist es mir aber auf die Länge viel zu langweilig, zu redundant und redselig und konnte mich nicht überzeugen. Schade, Potenzial war da.

Lauren Oyler: Fake Accounts | Catapult | 272 Seiten | 16,95 $ | erschienen im Februar 2021 (dt. Februar 2022 bei Piper)

Kategorie Blog, Rezensionen
Autor

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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