Kurz angerissen // Dana Grigorcea, Judith Poznan/Clint Lukas, Elias Hirschl

Es wird endlich mal wieder kurz angerissen, diesmal mit drei Ausgaben von Das Gramm: Immer die Liebe von Dana Grigorcea, Gehen oder bleiben von Judith Poznan und Clint Lukas sowie Alles wird heller von Elias Hirschl.

Dana Grigorcea: Immer die Liebe

Die große Gramm-Schau wird eröffnet von Dana Grigorcea. Wie ihr letzter Roman Die nicht sterben führt die Erzählung Immer die Liebe nach Rumänien, und zwar auch wieder aufs Land. Oder vielmehr in den Konflikt von Stadt und Land, wie er in sehr vielen heutigen Lebensläufen vorhanden ist. Vom Aufwachsen auf dem Land führt der Weg in die Stadt, von wo der Weg zurück in die Provinz wie ein Rückschritt erscheint, ein Schritt in eine vergangene Epoche, an die man lieber nicht mehr denken möchte.

Die Protagonistin von Immer die Liebe verschlägt es ganz unverhofft zurück in die eigene Vergangenheit, als sie plötzlich einen Kindesfreund wieder trifft. Wie eine Proust’sche Madeleine katapultiert sie die Begegnung zurück in ihre Jugend mit Großmutter und Großtante. Die Idylle des Dorfes scheint auf, um dann jäh wieder abzufallen, als beide sich weiter unterhalten.

Die Erzählung ist getragen von den warmen Sepiatönen der Erinnerung, von dörflicher Idylle und dem Schicksal des Dorftrinkers, der einst ein adretter junger Mann war, vom Liebeskummer aber an die Flasche gekettet wurde. Und leider ist es hier wie für mich immer wieder mit den Texten von Dana Grigorcea, ich komme mit dem schwelgerischen Ton und den so warmen Farben der Nostalgie einfach nicht zurecht. Es ist mir zu viel, auch wenn die Idylle gebrochen wird, bleibt so viel Schönheit und Färbung übrig, dass es mir graut. [s]

Dana Grigorcea: Immer die Liebe | Das Gramm | 25 Seiten | im Abo | erschienen im November 2022

Judith Poznan/Clint Lukas: Gehen oder bleiben

Szenenwechsel, von der Vergangenheit geht es nun ohne große Umwege gleich in die triste Gegenwart. Und dann auch noch in die Abgründe des Datings. Oder so … denn bei der Definition geht es schon los.

In Gehen oder bleiben von Judith Poznan und Clint Lukas treffen sich zwei Menschen in der »Datscha« am Rosenthaler Platz in Berlin. Sie sind verabredet, sie zuerst da, er kommt später. Mit Ansage. Doch was ist ihr Treffen? Ist es ein Date oder einfach ein netter freundschaftlicher Abend?

Es mag ein Wagnis sein, einen Text zu zweit zu schreiben. Gerade wenn man auf das gerade meistbesprochene literarische Duett von Juli Zeh und Simon Urban schaut, kann es aber durchaus (kommerziell) erfolgreich sein. Gehen oder bleiben beweist, dass das Wagnis auch abseits von Gelegenheitsprosa gelingen kann. Die beiden Stimmen ergänzen sich wunderbar, treffen einen ganz ähnlichen, aber durchaus unterschiedlichen Ton und umkreisen die je andere Perspektive immer enger. Ein schöner Text, der Spaß macht, ohne sich anzubiedern. [s]

Judith Poznan/Clint Lukas: Gehen oder bleiben | Das Gramm | 17 Seiten | im Abo | erschienen im Januar 2023

Elias Hirschl: Alles wird heller

Den Abschluss macht ein literarisches Experiment, das ein klein wenig an die Oulipo-Texte Le Telliers oder Pastiors erinnert. Hier wie dort wird für einen Text eine Konstante unserer Welt verdreht, werden die Grundsteine unserer Realität ein wenig verändert. Und dann heißt es: schreiben und herausfinden, wohin diese Verschiebung führen mag.

In Alles wird heller von Elias Hirschl wird nicht gleich die ganze Welt verändert, sondern nur die Welt im Kleinen, will heißen, die Welt des Protagonisten. Er sieht sich eines Tages nach dem Besuch seiner Mutter im Seniorenheim mit der Tatsache konfrontiert, dass dort Menschen sterben. Immer wieder. Und dass sich niemand darum zu kümmern scheint. Niemand nach den Schuldigen fragt, sie verfolgt, zur Verantwortung zieht. Die Erkenntnis bringt ihn um den Schlaf, er rüstet auf wie Travis Bickle aus Taxi Driver, ist besessen davon, die Tode aufzuklären und zu rächen und gleichzeitig die Lebenden zu schützen.

Die Erzählung ist ein Trip in den verstörten Geist des Protagonisten, der die natürliche Sterblichkeit des Menschen einfach vergessen hat. Oder hat er einfach aufgehört, sie im Angesicht des Jugendwahns unserer Gesellschaft zu akzeptieren? Am Ende bleibt ein durchgeknallter Text, dem aber leider etwas zu früh die Luft ausgeht, um über die ganze (kurze) Strecke zu fesseln. [s]

Elias Hirschl: Alles wird heller | Das Gramm | 22 Seiten | im Abo | erschienen im März 2023

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Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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