Wagenbach legt nach, es erscheinen beständig neue Bändchen der schicken kleinen Reihe Digitale Bildkulturen. Die Phänomene GIFs, Meme und Hassbilder habe ich mir mal näher angeschaut.
Schön bunt und beachtlich stringent mit 80 Seiten für 10 Euro bleiben die kleinen, schicken Bändchen ein steter Begleiter bei den Indie-Sachbüchern. Ich mag an Ihnen neben der kompakten Darstellung vor allem den politischen Schwenk, der nie ausbleibt. Denn Bilder sind politisch, das waren sie schon immer, aber in der Zeit der digitalen Bildexplosion sind sie es auf noch viel mannigfaltigere und potenzierte Weise. Auch wenn sich die GIFs hier als nicht ganz so politisiert herausstellen werden wie Memes und Hassbilder: Der kritische Blick auf das gegenwärtige Bildhandeln in allen Lebensbereichen wie privater Kommunikation via Messenger, Social Media, aber auch dem klassischen, passiven Medienkonsum muss ein ständiger Begleiter sein, um den Überblick zu behalten.
Tilman Baumgärtel: GIFs
Mein Highlight der Reihe bis jetzt stellt der Band über GIFs dar. Tilman Baumgärtel verknüpft in der Tradition von Hans-Jörg Rheinbergers Wissenschaftsgeschichte Technik, Kultur und den Zufall als treibendes Element und bietet so eine konsistente Erzählung der unwahrscheinlichen Geschichte des GIF. Gerade die akkurate technische Seite hat mir dabei sehr gefallen, die dann mit der kulturellen verknüpft wird.
Die vielen Zufälle, die dann dazu führten, dass Plattformen wie giphy.com heute komplett vom Gestaltungswillen seiner Nutzer*innen leben kann, ist erstaunlich. Zu lesen, wie es vom unscheinbaren, auf geringe Dateigrößen und große Kompatibilität angelegten Bildformat in den gerade aufkommenden Internetvorläufern der späten 1980er-Jahre zum unverzichtbaren Bestandteil der Chats der 2010er- und -20er-Jahre wird, ist einfach ein wilder Ritt. Kurzweilig und sehr gut informiert, mehr kann man nicht erwarten.
Tilman Baumgärtel: GIFs | 80 Seiten | 10 Euro | Erschienen 2020
Dirk von Gehlen: Meme
Ein Meme sind »nachdenkliche Sprüche mit Bilder«, oder? Dirk von Gehlen könnte nicht stärker widersprechen. Und zwar nicht, weil Meme nicht allein nachdenklich, sondern meistens lustig, gelegentlich politisch und leider sehr oft auch hetzerisch sind. Sie stellen für ihn gewissermaßen die Blaupause des Internets und seiner Kommunikationsweise dar. So ist es kein Wunder, dass die streng auf 80 Seiten limitierten Bändchen hier an ihre Grenze kommen und der Schriftgrad grenzwertig klein wird. Durch die serifenlose Schrift wird es auch nicht besser, der Fließtext ist hart an der Grenze.
Inhaltlich tut das dem Ganzen (Marshall McLuhan rotiert im Grab) keinen Abbruch. Von Gehlen hält sich nicht groß bei Offensichtlichem auf – dass Memes aus einer Kombination von Text und Bild bestehen, ist ja nun klar. Dafür beschreibt er detailliert, was Memes so anziehend und omnipräsent macht. Denn sie sind gewissermaßen das Meta-Symbol der Internetkommunikation überhaupt. Sie werden geboren und entwickeln sich danach in einer Eigendynamik weiter, die nie vorherzusehen ist. Sie werden beständig aufgegriffen und weiterentwickelt, um am Ende zu Meta-Witzen oder -Symbolen zu werden, die erst auf Grundlage ihrer eigenen Entwicklung funktionieren. Die selbstreferenzielle, unvorhersehbare und teilweise anarchische Dynamik ist ihr Hauptmerkmal, wie von Gehlen an einigen Beispielen zeigt. Vor allem Pepe the Frog, mittlerweile das Symbol der Alt-Right-Bewegung, ist ziemlich eindrucksvoll wie auch erschreckend.
Mir waren es hier allerdings zu viele Nebenschauplätze, von Gehlen schafft es nicht, sich auf sein Thema wirklich zu konzentrieren. Er will alles, was derzeit so an dynamischen und selbstreferenziellen Phänomenen unterwegs ist, unterbringen. Das ist interessant, passt aber nicht unter den Titel. Da hätte er sich besser ein größeres Format ausgesucht und über aktuelle Netzentwicklungen geschrieben. Trotzdem ein lesenswerter Band.
Dirk von Gehlen: Meme | 80 Seiten | 10 Euro | Erschienen 2020
Daniel Hornuff: Hassbilder
Zum Abschluss übernimmt das Politische ganz, wenn wir Hass denn als politischen Affekt definieren wollen. Dass er instrumentalisiert wird, ist aber unbestritten. In seinem Band zu Hassbildern unterscheidet Daniel Hornuff zwischen Hetz- und Hassbildern. Erstere sind reine Mobilisierungsinstrumente, geschaffen um zu einem konkreten Zweck den Hass gegen eine bestimmte Gruppe weiter zu schüren. Hassbilder dagegen sind universeller, jedoch genauso wenig von ihrem Kontext zu trennen. Gerade dies ist ein zentraler Punkt: Bilder verkörpern keinen Hass, sie können praktisch nur durch ihren Kontext zu Symbolen oder eben Vehikeln des Hasses gemacht werden. In den meisten Fällen funktioniert dies über Kommentare in Social Media oder über Text im Bild, also z.B. auch Memes oder GIFs.
So neu und aktuell die Phänomene kontextgesteuerter Hassbilder auf Social Media auch sind – es gibt sie spätestens seit Erfindung des Buchdrucks. Neu ist nur die Geschwindigkeit der digitalen Verbreitung sowie die Weiterentwicklung, die sie durch ständige Modifizierung – wie bei Memes – erfahren. Daniel Hornuff bleibt damit nur dies als Unterscheidung zum klassischen Hassbild aus den Druckmedien. Nicht genuin digital, aber trotzdem interessant.
Daniel Hornuff: Hassbilder | 80 Seiten | 10 Euro | Erschienen 2020